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Wie lässt sich Innovation messen?

Die Blue Ocean Group ist ein Kreis bestehend aus rund 50 Innovationsverantwortlichen, die sich in Kleingruppen regelmäßig treffen, um auf Augenhöhe voneinander zu lernen. Dieses Mal ging es darum, Konzepte für die Messbarkeit von Innovation zu entwickeln.

Viele Unternehmen stehen bei großen aber auch kleinen Digitalisierungs- und Innovationsvorhaben vor der Frage, wie man das erwartete Ergebnis messbar machen kann, um zu entscheiden, ob man es weiterverfolgt oder nicht. Vier Innovationsverantwortliche aus vier verschiedenen Branchen haben sich mit dieser Frage beschäftigt und gemeinsam Konzepte für die Messbarkeit von Innovation entwickelt. Sie vertreten die Branchen Energie, Gesundheit, Maschinenbau sowie Digitalisierung und sind eine Untergruppe der „bwcon Blue Ocean Group – Exploration neuer Geschäftsfelder“.

   

Die Blue Ocean Group ist ein Kreis bestehend aus rund 50 Innovationsverantwortlichen, die sich in Kleingruppen regelmäßig treffen, um auf Augenhöhe voneinander zu lernen. Das unternehmensübergreifende Team besteht aus Fatma Karatay, Innovationsmanagerin bei TransnetBW, Peter Neske, Leiter des Pfizer Healthcare Hub Freiburg, Johanna Flügel, Management Assistant bei Arnold Umformtechnik und Christian Bell, Agile Coach und Business Architect bei der iteratec GmbH. 

 

Fatma Karatay, Mitglied der bwcon Blue Ocean Group, brachte das Thema der Innovation KPIs ein und suchte nach Mitstreitenden: „Wir haben bei der TransnetBW 2019 erstmalig einen Innovationsprozess durchgeführt, drei Ideen kamen damals in die Umsetzung. Danach wurden wir als Abteilung „Unternehmensentwicklung“ mit der Frage konfrontiert, wie wir die Ergebnisse aus diesem Prozess messen können. Hierzu habe ich den Austausch mit anderen Innovationsverantwortlichen aus anderen Unternehmen gesucht“. Alle vier Innovationsverantwortlichen beschreiben Karatays Anfrage als „akutes Thema“ in ihrer Firma bis hin zu einem „Burning Pain“ und sehen eine große Chance in der branchenübergreifenden Zusammenarbeit. 

 

Frühzeitig das Potential einer Innovationsidee erkennen 

 

Das interdisziplinäre Team hat in einem „3+1 Modell“ neben dem zahlengetriebenen Return on Investment weitere Konzepte für die Diskussion über die Messbarkeit von Innovation ausgearbeitet: das sogenannte „Potential on Invest“, um frühzeitig das qualitative Potential einer Innovationsidee einzuschätzen sowie das Spielgeld, das Innovationsteams zum Erproben neuer Idee erhalten und wo bewusst auf zahlengetriebene Messgrößen verzichtet wird. Als Querschnittsthema sieht das Team die Innovationskultur, welche alle drei oben genannten Aspekte unterstützt. 

 

Alexandra Rudl, Geschäftsführerin der bwcon GmbH und Initiatorin der Blue Ocean Arbeitsgruppe hat alle vier Mitstreitenden im Rahmen des europäischen Projekts Chain Reactions interviewt. 

 

Wie hat die gemeinsame Arbeit funktioniert, nachdem die Interessensbekundungen auf dem Tisch lagen? 

 

Johanna Flügel: Wir hatten relativ schnell neue Ideen, losgelöst vom reinen Return on Invest. Peter hat frühzeitig die Idee des „Potential on Invest“ eingebracht. Diese entstand rund um die Kernfrage, wie wir von den zahlengetriebenen Kennzahlen weggehen können in Richtung qualitativer Kenngrößen. 

 

Peter Neske: Von Beginn an haben wir weitere Impulse eingebunden: über die bwcon hatten wir zum Beispiel einen Austausch zum Thema mit einem Professor aus Tschechien. Zudem gab es viele Interaktionen mit den anderen Mitgliedern der Blue Ocean Group, mit denen wir unsere Teilergebnisse diskutiert haben und kontinuierlich Feedback zu unseren Überlegungen einholen durften. 

 

War es im Arbeitsprozess hilfreich, dass ihr aus unterschiedlichen Branchen seid? 

 

Neske: Ich hätte es als weniger interessant empfunden, wenn wir vier aus der gleichen Branche gewesen wären. So war nicht eine Perspektive oder eine Herangehensweise prägend. Wir haben am Anfang jeweils versucht die Branche der anderen bestmöglich zu verstehen, um eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zu haben. 

 

Christian Bell: Ich denke von Vorteil waren nicht nur die unterschiedlichen Branchen, sondern auch die unterschiedlichen Unternehmensgrößen und Ansätze. 

 

Könnt ihr bitte erklären, welche neuen Ideen ihr entwickelt habt, um Innovationen messbar zu machen? 

 

Flügel: Also wir haben „3+1 Stränge“ entwickelt: der erste Strang ist der zahlengetriebene Return on Invest, der zweite das Potential on Invest – hier sind wir qualitativ unterwegs. Dann das sogenannte Spielgeld als Casino für Innovation. Das „+1“ ist die Innovationskultur. 

 

Ergänzen sich diese Stränge oder sind sie jeweils gesondert zu sehen? 

 

Flügel: Mein persönliches Empfinden ist, dass man diese 3+1 Stränge in einem Unternehmen vereinen kann. Return on Invest steht dabei für alles, was man in Zahlen berechnen kann. Inwiefern ich alle Stränge vereinen kann, hängt auch davon ab, welches Thema ich erarbeite und welche Menschen dort involviert sind. Es gibt sicherlich bestimmte Ansätze aus diesem Modell, die sich mehr für das eine Unternehmen, die eine Abteilung oder das eine Thema anbietet als für andere. 

 

Für eine vielsprechende Kombination halte ich es auch den zahlengetriebenen Ansatz mit dem Ansatz des Spielgeldes zu verbinden. Also Innovationsteams erhalten eine gewisse Summe an Geld für die ersten Umsetzungsschritte ihrer Idee, ab einem bestimmten Moment müssen sie aber quantitative Ergebnisse liefern. 

 

Bell: Wir sollten uns auch bewusst machen, dass es bei allen 3+1 Strängen eine Mess-Kenngröße gibt und somit sind alle für sich betrachtungswürdig. Selbst wenn mit Spielgeld gearbeitet wird, kann der Innovationsaufwand gegen das Unternehmensergebnis gemessen werden. Und wenn gar kein Spielgeld reingesteckt wird, dann hat die Firma vielleicht in fünf Jahren ein Problem. Und das ist messbar. Die “+1“ Kategorie der Kultur unterstützt und fördert alle drei anderen, weil die Kultur einen Einfluss auf alle Innovationstätigkeiten hat. 

 

Neske: Ich würde den Fokus auf die Unterscheidung zwischen qualitativer und quantitativer Betrachtung legen. Es gibt einerseits den Return on Invest (RoI) als etablierte Größe. Gleichzeitig gibt es auch Innovationen, da ist der RoI nicht nach einem definierten Zeitfenster wie u.a. einem Quartal berechenbar. Wir haben etwa ein ungarisches Startup gefunden, deren These es ist, dass sie mit Bakterien in die Kreislaufwirtschaft eingreifen können. Es ist noch nicht bewiesen, und die Bakterien arbeiten in ihrer eigenen Geschwindigkeit. Wir können den RoI daher (noch) nicht anwenden. Hier hilft das Potential on Invest (PoI). Es hat ein Potential, dass ein positiver Effekt dabei herauskommt. 

 

Ein anderes Beispiel in dem Kontext: möglicherweise erhöht mein Engagement im Innovationsmanagement die Reputation meines Unternehmens. Diese direkt zu quantifizieren kann schwierig sein. Helfen können dann Faktoren wie die Veränderung der Anzahl der Bewerbungen auf Stellenausschreibungen. 

 

Was sind in diesem Fall die Bewertungsinstrumente? Und wer macht die Bewertung - interne Expert*innen oder auch externe? 

 

Flügel: Ich würde das Expertengremium im Idealfall mischen. 

 

Neske: Bei uns sind es interne Expertengremien, sie sind in der Regel Auftraggeber und Sponsor. Wie hoch die Chance für eine disruptive Innovation ist – dies darzulegen hängt am Ende auch vom Verkaufsgeschick des externen Innovators ab. Häufig gilt es für den innovativen Ansatz zu begeistern, damit es zum Beispiel durch einen proof of concept kommt. Das bedeutet für uns, dass man der Innovation die Chance gibt, ihr Potential zu entfalten – oder im harten Praxis-Check eben auch nicht. 

 

Wie geht es jetzt für euch weiter und wie übertragt ihr eure Ergebnisse in euren Arbeitsalltag?   

 

Flügel: Ich werde die Ergebnisse unmittelbar in unsere aktuellen Aktivitäten einbinden. Wir haben 50 Digitalisierungsprojekte identifiziert, die jetzt in die Bewertung kommen. Wir arbeiten an einem Standard für eine Cross-Benefit-Analyse und genau hier können die 3+1 Stränge mit einfließen. 

 

Fatma Karatay: ich werde in unserer nächsten Klausur die Ergebnisse dem Team Unternehmensentwicklung vorstellen. Danach werden wir schauen, ob und wie sich das Ergebnis implementieren lässt. 

 

Bell: Wir sind kein zahlengetriebenes Unternehmen, eine Return on Invest Betrachtung nach Maßgabe eines Return- oder Potential-on-Invest wird bei uns derart nicht stattfinden. Aber wir arbeiten permanent an unserer Unternehmenskultur, daher ist dieser Aspekt der wertvollste Part für mich. 

 

Neske: Ich habe regelmäßig Sitzungen, in denen ich vor allem nach dem PoI gefragt werde. Mit der alternativen Betrachtungsweise des PoI gelingt es, den besonderen Rahmenbedingungen im Innovationsmanagement auch intern gerecht zu werden und Projekte auf den Weg zu bringen. Die Erkenntnisse aus der Blue Ocean-Gruppe lassen mich dies überzeugend darstellen. 

 

Kontakt zur bwcon Blue Ocean Group: Wer verantwortlich ist für Innovation und Transformation in seinem Unternehmen und sich für die bwcon Blue Ocean Group interessiert, kann gerne Alexandra Rudl per E-Mail kontaktieren. 

 

Info: Das Interreg Central EUROPE Projekt CHAIN REACTIONS unterstützt zentral europäische Regionen bei der Anwendung von Tools und Methoden zur Förderung von innovativen Entwicklungen entlang der Wertschöpfungskette. Weitere Informationen sind nachzulesen auf der Website der Organisation