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„Der Kampf, den wir alle gewinnen müssen“

Mithilfe von KI und Big Data revolutioniert das Stuttgarter Start-up VCG.AI den Umgang mit organischen Industrieabfällen. Wie das Team um Jon Goriup die Transformation zur biobasierten Kreislaufwirtschaft beschleunigt und welche Rolle Stuttgart dabei spielt.

VCG.AI wurde 2022 von Jon Goriup und Mateja Dermastia ins Leben gerufen und ist ein auf künstliche Intelligenz sowie Big Data spezialisiertes Unternehmen mit Sitz in Stuttgart. VCG.AI steht dabei für Value Chain Generator – eine KI- und Big-Data-Plattform, die die biobasierte Kreislaufwirtschaft vorantreiben will, indem industrielle Nebenprodukte und Abfälle in gewinnbringende Vermögenswerte umgewandelt werden, die das Klima positiv beeinflussen. Das Ergebnis: die praktikabelsten, rentabelsten und wirkungsvollsten Kreislauflösungen für jedes Unternehmen, jeden Reststoff und jeden Standort. Wir haben Mitgründer und CEO Jon Goriup zum Interview getroffen.

 

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihr eigenes Unternehmen zu gründen?

 

Jon Goriup: Bei unserem vorherigen Start-up haben wir uns hauptsächlich auf Rückverfolgbarkeitssysteme für die Lebensmittelindustrie und ihre Lieferketten konzentriert. Dabei stellten wir fest, dass entlang dieser Lieferketten viel Abfall entsteht, der einerseits Kosten verursacht und anderseits auch große Auswirkungen auf das Klima hat. Das war für uns der Ausgangspunkt darüber nachzudenken, was mit den Abfällen passiert. Denn es gibt viele Möglichkeiten, diese Abfälle oder Nebenprodukte zu verwerten, aber sie werden einfach nicht genutzt. Und so entstand die Idee zum Value Chain Generator.

 

Was macht Ihr Unternehmen einzigartig?

 

Jon Goriup: Wir haben erkannt, dass das Abfallproblem nicht nur das Problem eines einzelnen Unternehmens ist, sondern dass es eine skalierbare Lösung für Millionen von Unternehmen weltweit erfordert. Deshalb haben wir diesen Daten- und KI-Ansatz entwickelt, um einen Großteil der sehr zeitaufwändigen und teuren Prozesse zu automatisieren und effizienter zu gestalten. Es geht darum, herauszufinden, wer welche Nebenprodukte produziert, wer welche Ressourcen benötigt und wie man die richtigen Unternehmen miteinander verbindet. Es stehen hierfür allerdings nur wenige bis keine Daten zur Verfügung. Also haben wir ein einzigartiges Prognosesystem entwickelt, das den Matchmaking-Prozess und die Bestimmung von Angebot und Nachfrage unterstützt. Allein in Deutschland haben wir so schon über eine Million Unternehmen identifiziert.

 

Warum ist das Thema Nachhaltigkeit so wichtig für Sie?

 

Jon Goriup: Ich glaube, das ist der Kampf, den wir alle gewinnen müssen. Denn wenn wir langfristig Wohlstand und ein gutes Leben auf der Erde haben wollen, müssen wir die Frage der Nachhaltigkeit lösen. Deshalb haben wir VCG so konzipiert, dass wir für jedes Unternehmen weltweit eine Lösung finden können. Wir haben nicht mehr viel Zeit und wir müssen die Herangehensweise an das Nachhaltigkeitsproblem wirklich beschleunigen und weitgehend automatisieren.

 

Welche Ängste hatten Sie zu Beginn der Gründung? Und wie schätzen Sie diese aus heutiger Sicht ein?

 

Jon Goriup: Ich weiß nicht, ob man Ängste nennen kann, aber es gab sicherlich gewisse Unsicherheiten, weil es ein großes Risiko ist und man nicht genau weiß, wie sich die Dinge entwickeln werden. Gleichzeitig waren wir uns des Mangels an Innovationen in diesem Bereich bewusst und sahen die unternehmerische Chance sowie den möglichen Impact. Also haben wir die Situation bewertet und dann entschieden, dass wir das auf jeden Fall durchziehen.

 

Haben Sie auf Ihrem Weg "Fehler" gemacht, die Sie rückblickend lieber vermieden hätten?

 

Jon Goriup: Ja, auf jeden Fall – vor allem, wenn es darum geht, Prioritäten zu setzen: Welche Dinge soll man wie zuerst angehen? Welche Leute braucht man dafür? Aber wir haben aus unseren Fehlern gelernt und unsere Prozesse optimiert, um unsere Technologie weiter zu verbessern.

 

Wie kam es dazu, dass Sie sich hier in Stuttgart niedergelassen haben?

 

Jon Goriup: Stuttgart bietet ein großartiges Unterstützungssystem für Start-ups, und unsere bestehenden Partnerschaften und Netzwerke waren entscheidende Gründe, die für Stuttgart sprachen. Derzeit haben wir unseren Sitz in den Büroräumen von bwcon in der Seyfferstraße und arbeiten sehr eng mit vielen F&E-Einrichtungen in der Region sowie der Universität Hohenheim zusammen, von der wir auch Mitarbeitende rekrutieren. Davon profitieren wir natürlich zusätzlich.

 

Apropos Stuttgart: Was mögen Sie an den Schwaben? Und was stört Sie wiederum an ihnen?

 

Jon Goriup: Ich glaube, Schwaben mögen es nicht, wenn sich die Dinge zu sehr verändern, das heißt sie sind ein bisschen unflexibel, wenn es um neue Ideen und neue Ansätze geht. Andererseits sind sie auch sehr engagiert. Wenn sie sich also einmal entschieden haben, etwas zu unterstützen, dann gibt es auch das nötige Engagement.

 

Warum haben Sie sich dazu entschieden, Mitglied bei bwcon zu werden?

 

Jon Goriup:  Bei unseren Anfängen in Stuttgart hat uns bwcon wirklich sehr geholfen. Nicht nur was die Büroräume angeht, sondern auch was das Thema Startfinanzierung und die richtigen Kontakte im lokalen Ökosystem betrifft, um dorthin zu kommen, wo wir heute sind. Deshalb war es für uns selbstverständlich, Teil des bwcon Netzwerks zu werden.

 

Wie stellen Sie sich die nahe und ferne Zukunft für VCG.AI vor?

 

Jon Goriup: Bis Ende dieses Jahres möchten wir in 15 europäischen Ländern tätig sein, gerade sind wir dabei, den französischen und portugiesischen Markt zu erschließen. Unser langfristiges Ziel ist es, ein globales Unternehmen zu werden, das Unternehmen auf der ganzen Welt dabei unterstützt, ihre CO2-Emissionen massiv zu reduzieren und Nebenprodukte sowie Abfälle in wertvolle Materialien umzuwandeln. Wir arbeiten bereits mit bekannten internationalen Marken aus der Lebensmittelindustrie zusammen, das möchten wir künftig natürlich noch weiter ausbauen.

 

Gibt es ein bestimmtes Projekt, auf das Sie besonders stolz sind?

 

Jon Goriup: Ja! Wir haben zum Beispiel mit einer großen Brauerei zusammengearbeitet und dabei Nettokosten von über 200.000 Euro pro Jahr in einen Gewinn von über eine Million Euro umwandeln können. Heute arbeiten wir mit einigen der größten Namen der Branche zusammen – darauf sind wir sehr stolz. Wir sind auch stolz, mit einem der größten Lebensmitteleinzelhändler in Portugal zusammenarbeiten und dessen gesamte Lieferkette optimieren zu dürfen – das sind Hunderte von Produktionseinheiten mit vielen verschiedenen Prozessen und Abfallströmen. Ich denke, dass dies wirklich die Stärke von VCG.AI unterstreicht, weil wir eine große Menge an Komplexität und Materialien berücksichtigen können.

 

Da wir gerade von Erfolgen sprechen: Sie haben vor ein paar Monaten die Green Tech Start-up Competition in Heidelberg gewonnen und den EIC Accelerator erhalten. Welche Möglichkeiten ergeben sich hieraus für Sie?

 

Jon Goriup:  Solche Wettbewerbe sind eine sehr gute Möglichkeit, um sich einem neuen Publikum zu präsentieren und neue Kontakte zu potenziellen Kunden, Investoren, Partnern usw. zu knüpfen. Durch den EIC Accelerator bekommen wir eine Förderung in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Das Geld kommt genau zum richtigen Zeitpunkt und ermöglicht uns, die VCG-Kerntechnologie auf die nächste Stufe zu heben und unsere Marktpräsenz auszubauen. Damit VCG.AI künftig der erste Ansprechpartner ist, wenn es um das Thema Kreislaufwirtschaft geht.

 

Zur Website von VCG.AI >>

 

KI- und Blockchainförderung

 

Start-ups wie VCG.AI finden auch im AIBC EUROCLUSTERS-Projekt eine Anlaufstelle. Das Ziel des Projekts ist die Förderung der Entwicklung von Lösungen im Bereich Künstliche Intelligenz und Blockchain durch europäische KMUs und Start-ups, insbesondere solche, die die Digitalisierung unterstützen. Zudem wird die Umsetzung von KI- und Blockchain-Anwendungen in verschiedenen industriellen Ökosystemen (z.B. Fertigung, Mobilität, Logistik, Energie) gefördert, um eine digitale Transformation und eine grünere Wirtschaft zu ermöglichen.

 

Das AIBC EUROCLUSTERS-Projekt wird von der Europäischen Kommission im Rahmen des SMP Cosme-Programms gefördert. Weitere Informationen gibt es online auf der Webseite der bwcon research.