Über Jahrzehnte war Austin eine beschauliche amerikanische Stadt – bis sich dort in den 1980ern die ersten Firmen mit zukunftsweisenden Innovationen niederließen. Und die Kriterien von damals überzeugen größtenteils noch heute: die Lebensqualität, die Lebenshaltungskosten, die Steuern, die Qualität des öffentlichen Bildungssystems, die Verkehrsanbindung und die Studierenden der lokalen Universitäten.
Einer der weltweit bekanntesten Unternehmer machte seine Anfänge ebenfalls in Austin. Bereits im ersten Jahr seines Medizinstudiums befasste er sich mehr mit den Verkäufen von Hardware als mit seinem eigentlichen Studiengang, bis er sich 1984 selbstständig machte und mit 24 Jahren CEO des Unternehmens wurde, das bis heute seinen Namen trägt. Die Rede ist von Michael Dell. 1992 wurde Michael Dell als jüngster CEO mit seinem Unternehmen in die Fortune Global 500 Company aufgenommen. Gerade vor diesem Hintergrund nahmen wir die Einladung nur allzu gerne an, Dell bei unserem Texas-Trip am Hauptsitz in Round Rock, nördlich von Austin, zu besuchen. Empfangen wurden wir von John Howard, Director Global Government Affairs & Public Policy, und YJ Lin, Program Manager „Dell for Startups“ in Austin, USA & Toronto, Kanada, die uns einen Überblick in die Entwicklung Dells und seine Unterstützung von Start-ups verschafften.
Was nehmen wir aus unserem Besuch in Austin mit?
Unser Austin-Aufenthalt lieferte uns nicht nur interessante Eindrücke in ein weltweit erfolgreiches Unternehmen. Selbstverständlich blickten wir auch auf die Start-up-Szene Austins. Im WeWorks in Austin Downtown, einem Coworking-Space-Anbieter mit weltweiten Standorten, gaben uns amerikanische und europäische Gründer wertvolle Einblicke. Anthony Lamot, CEO und Co-Founder von DESelect, veranschaulichte mit seinen belgischen Wurzeln besonders gut, wie es ist, ein Start-up in den USA zu gründen bzw. dort erstmalig Wurzeln zu schlagen. Die Herausforderungen wurden klar hervorgehoben: Gerade europäische Gründer*innen kommen aus Ländern mit anderen wirtschaftlichen und vor allem regulatorischen Strukturen, die einen langwierigen Prozess mit sich bringen. Auch zunächst banal erscheinende Unterschiede haben Auswirkungen auf die Zusammenarbeit – durch die Zeitverschiebung beginnt Anthonys Arbeitsalltag meist um sieben Uhr, um im Austausch mit europäischen Partner*innen bleiben zu können. Kulturelle Unterschiede werden in der Kommunikation und der Art und Weise von Geschäftsgesprächen deutlich: Der Austausch mit amerikanischen Geschäftspartner*innen ist zwar sehr freundlich, aber auch sehr langwierig. “Oftmals führe ich die gleichen Gespräche mit denselben Personen, bis wir endlich auf der gleichen Wellenlänge sind”, berichtete Anthony. “Der Austausch mit europäischen Partner*innen kann sich zwar zeitlich auch etwas in die Länge ziehen, jedoch unterscheiden sich die Gespräche insofern, dass die Gesprächsperson viele direkte Nachfragen stellt, um schneller das Interesse des Start-ups zu verstehen.” Auch Andy Keil, Head of Product bei QuotaPath, und Doug Heady, CEO und Founder von BuilderBinder, teilten mit uns ihre Erfahrungen im amerikanischen Markt. Ihre Arbeit bringt sie zwar geschäftlich gelegentlich ins Silicon Valley oder nach Atlanta, aber sie schätzen die Nähe zu den Geschäftspartnern in Austin und Umgebung sehr. Besonders wertvoll: Heady überlies den Teilnehmenden eine Liste mit Kontakten zu den führenden Selbstständigen in Austin.
Unterschiede – aber auch Gemeinsamkeiten
In Austin gibt es ähnliche Konnektoren wie bwcon – so lernten wir beispielsweise Jack Whelan vom International Accelerator kennen, der Gründer*innen bei ihren ersten Schritten in den USA unterstützt. Durch die Bekanntschaft mit Whelan und einem Studenten aus Austin kam beispielsweise Michael von krumedia in Kontakt mit einem führenden Maschinenbau-Unternehmen, der Alamo Group. Das Start-up und der Weltkonzern planen aktuell ein konkretes Pilotprojekt, mit dem für krumedia ein erster Einstieg in den amerikanischen Markt erreicht werden soll. Cosmin von Clorophilla war “überrascht, zu erfahren, dass die Start-up-Landschaft in Texas bereits so groß ist.” Ihm wurde durch die Firmen- und Start-up-Besuche in Austin erst bewusst, wie unterschiedlich die Art und Weise sein kann, wie in der Geschäftswelt miteinander umgegangen wird. Außerdem musste er feststellen, dass sich so manches US-Unternehmen mehr auf die wirtschaftlichen als auf die technologischen Faktoren konzentriert.
Eine weitere Gemeinsamkeit, die wir entdeckten, ist die Zusammenarbeit von Industrie mit Forschungs- und Bildungseinrichtungen: Die Texas State University, die uns bei unserem Besuch auch ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellte, unterstützt Studierende mit Berufserfahrung in ihrer Weiterbildung. Diese können vor und während ihres Studiums wertvolle praktische Erfahrungen sammeln, die sehr geschätzt werden, was unserem dualen Ausbildungssystem in Deutschland ähnelt. Bernhard Kölmel, Professor an der Hochschule Pforzheim ist ebenso Distinguished Researcher am McCoy College of Business der Texas State University und betreute während unseres Besuchs einige Studierende in Austin. In diesem Rahmen stellten die Start-up-Repräsentant*innen aus Deutschland den Studierenden ihre Geschäftsmodelle vor und kamen so in einen wertvollen Austausch.
Es stellt sich aber berechtigterweise auch die Frage: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah sein kann?
Nicht nur die USA hat „zwei Silicon Valleys“ – auch in Deutschland wächst in verschiedenen Regionen geballtes Wissen aus Forschung und Industrie heran: Im schwäbischen Cyber Valley in Tübingen dreht sich beispielsweise alles um die Erforschung der künstlichen Intelligenz, während das Silicon Saxony in Dresden die Bereiche Mikroelektronik, Smart Systems und Software zusammenbringt.
Drei Takeaways aus Austin
- In Austin, seit 2020 die elftgrößte Stadt der USA, ballt sich Wissen aus Forschung und Industrie. Wirtschaftlich starke Unternehmen wie Dell, Oracle und Tesla haben ihren Hauptsitz bei Austin. Die Universität von Texas ist eine der größten Universitäten des Landes, Studierende können hier wertvolle praktische Erfahrungen sammeln.
- Die in Austin ansässigen Start-ups und Expert*innen, die wir getroffen haben, beobachten eine steigende Entwicklung von softwaregetriebenen und After-Sales-Geschäftsmodellen. KI-getriebene KMU sind in den USA nach wie vor im Silicon Valley angesiedelt und bleiben nach Einschätzungen der Exper*innen vorerst dort.
- Die Art und Weise, wie amerikanische Personen Geschäftsmodelle entwickeln, sind basierend auf kulturellen und wirtschaftlichen Unterschieden im Vergleich zu europäischen Ländern nicht zu unterschätzen. Eine strenger kontrollierte Regulatorik im europäischen Raum kann für amerikanische Investor*innen eine Hürde darstellen, in diesen Ländern aktiv zu werden. Andersherum kann dies eine Chance für europäische Gründer*innen sein, sich zunächst im amerikanischen Markt zu erproben.
Hintergrundinformationen und Danksagung
Im Rahmen des AIBC EUROCLUSTERS Projekt mit der Grant Agreement no. 101074645 – SMP-COSME-2021-CLUSTER Call for proposals ist die bwcon research gGmbH als Projektpartner beteiligt. Eines der Projektziele war es, einen Einblick in internationale Entwicklungen zu KI und Blockchain Themen zu erhalten. In diesem Zuge gab es eine offene Ausschreibung, auf die sich europäische Start-ups aus den genannten Technologiebereichen bewerben konnten. Im Folgenden werden die Start-ups aufgelistet, die vom AIBC-Konsortium gefördert wurden. Besonders freut uns, dass aus unserem Netzwerk Kris (Innential UG) und Florian (Semanux GmbH) dabei waren.
Ada Guzey Engineering Software Mechatronics Ltd.
Innential UG (haftungsbeschränkt)
Resecure Gesellschaft fuer Cyber Security mbH
Sfm Yazilim Teknolojileri Anonim Sirketi
An dieser Stelle ein großes Dankeschön an die aktive Beteiligung unseres Projektleads Fondazione Piemonte Innova während dieser Expedition sowie dem gesamten Konsortium bestehend aus dem ICT Cluster, Basque Mobility and Logistics Cluster MLC ITS Euskadi, Bydgoszcz Industrial Cluster Tool Valley (BIC) und dem Environment Park.
These activities are funded by the AIBC EU ROCLUSTERS project which has received funding from the European Union (Grant Agreement no. 101074645). Views and opinions expressed are however those of the author(s) only and do not necessarily reflect those of the European Union, Fondazione Piemonte Innova or the AIBC Consortium. Neither the European Union nor Fondazione Piemonte Innova or the AIBC Consortium can be held responsible for them.