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Ich hatte ein Rotwein-Date mit David Reger.
Sie wissen schon, dem David Reger von NEURA Robotics, einer Hightech-Schmiede aus Metzingen, die es sich zum Ziel gemacht hat, Vorreiter im weltweiten Markt der kognitiven Robotik zu sein.
Ende November 2024 wurde er vom Handelsblatt und der Boston Consulting Group als einer der Top-Nachwuchskräfte im Bereich Innovationsmanagement ausgezeichnet. Er ist einer von 30 Vordenker*innen, "die nicht hadern, sondern machen", wie es dort so schön heißt. Bei ihm dreht sich alles um Roboter, die mithilfe von maschinellem Lernen so trainiert werden, dass sie Aufgaben erledigen können, die uns Menschen als mühsam, eintönig oder nervig erscheinen.
Großes Innovationspotenzial im Ländle
Meine bwcon Kolleginnen Anne Dröge und Sandra Linder hatten kürzlich die Gelegenheit, mit David Reger ein Interview zu führen (ein glücklicher Umstand, denn Reger scheint aktuell nur sehr schwer greifbar zu sein). Das Interview kam genau zur rechten Zeit, denn wir bei bwcon sind als Hightech-Netzwerk immer auf der Suche nach visionären Köpfen in Baden-Württemberg. Schließlich haben wir uns auf die Fahne geschrieben, das Innovationspotenzial im Ländle zu fördern und Menschen bzw. Unternehmer*innen zusammenzubringen, die einen Blick über den Tellerrand wagen und fortschrittliche Gedanken verfolgen.
Der Visionär
![David Reger, CEO und Gründer NEURA Robotics](https://www.bwcon.de/fileadmin/user_upload/Startseite/3_bwcon_Netzwerk/5_Aktuelles_aus_dem_Netzwerk/David_Reger__CEO_und_Gruender_NEURA_Robotics_840x630.png)
David Reger ist definitiv jemand, der weit vorausschaut. Die zahlreichen Blogartikel auf seiner Website lassen erahnen, was in seinem Kopf vorgeht. Da geht es um die Vision einer Zukunft, in der Roboter mit Intelligenz ausgestattet sind. Um eine Pionierleistung, die er mit seinem Unternehmen NEURA hervorhebt und gleichzeitig um gesellschaftliche Verantwortung, die er für Deutschland verspürt.
In der WirtschaftsWoche wurde im Dezember 2024 ein Artikel mit dem Titel "Der Elon Musk aus der schwäbischen Provinz" (WiWo+) veröffentlicht. Eine Headline, die aufhorchen lässt! Reger ist jedoch kein Fan von pauschalen Vergleichen mit Musk.
Nachdem meine Kolleginnen mich baten, aus ihren Interview-Notizen "etwas zu machen" und ich den Medienrummel um Reger mitbekam, wurde ich neugierig. Also ließ ich mich auf ein "Date" ein. Bei einem imaginären Glas Rotwein habe ich mehr über den Mann erfahren, der die Zukunft der Robotik neu denkt.
Wir lernen uns näher kennen
Reger, gelernter Modellbauer und gebürtiger Baden-Württemberger, ist ein gläubiger Mensch und Auto-Fan, wie es immer wieder in Podcasts zu hören ist. Er verwendet oft Worte wie Passion und Demut und redet vom Ziel, etwas in der Welt bewirken zu wollen. Dass es ihn nach seinem USA-Aufenthalt, bei dem er als Sozialarbeiter mit Häftlingen zu tun hatte, zu einem Schweizer Familienbetrieb mit Robotik-Fokus verschlagen hat, war für ihn ein Segen, wie er sagt.
Mit seiner eigenen Gründung wollte er dann sein eigenes Ding durchziehen. Mit Weggefährten, die er gut kannte und von denen er wusste, dass sie das Know-how mitbringen, das nötig war, um die besten Roboter zu bauen. ““Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, dann werd ich’s durchführen”, verrät Reger in diesem Podcast-Interview.
Eine Robotik-Firma in Metzingen?
David Reger ist sich sicher, dass Deutschland und vor allem Baden-Württemberg die besten Voraussetzungen hat, den Zukunftsmarkt der Automation und Robotik anzuführen – noch vor den Chinesen. Als Reger sein Unternehmen NEURA Robotics im Jahr 2019 gründete, waren es chinesische Investoren, die ihn finanziell bei seinem Start mit 12 weiteren Mitstreiter*innen unterstützten. Dass er sich zu diesem Zeitpunkt nach China orientierte, lag daran, dass im asiatischen Markt die Akzeptanz für Roboter deutlich höher war und Investoren aus Europa und den USA weniger aufgeschlossen gegenüber Robotik und KI waren. Mittlerweile sind die Chinesen nicht mehr an Bord. In einer Serie-B-Finanzierungsrunde haben NEURA Robotics aktuell beeindruckende 120 Millionen EURO eingesammelt.
Ich schaue mich auf seiner Website genauer um, lese auch das Kleingedruckte. Ob es Zufall ist, dass sein Unternehmen ausgerechnet in der Gutenbergstraße in Metzingen-Riederich ansässig ist? Auch Johannes Gutenberg war nämlich ein Visionär: Mit seinen beweglichen Lettern revolutionierte er im 15. Jahrhundert den Buchdruck und hatte damit einen großen Impact. Reger möchte heute – mehr als 500 Jahre später – mit seinen kognitiven Robotern die Welt ebenso verändern. “Dass unser Firmenstandort in Metzingen-Riederich ist, ist auch gewissermaßen unser Geheimnis. Hier entwickeln wir ein gemeinsames Verständnis für unser teilweise sehr komplexes Unterfangen. Und das schärft unsere Vision ungemein”, sagt Reger.
Was NEURA Robotics von anderen Roboter-Herstellern unterscheidet
Regers humanoide Roboter sind mit einem kleinen Motor, der mit einer KI-Software verbunden ist, ausgestattet und sollen zukünftig in unseren Haushalten (und nicht nur da) die unbequeme Arbeit verrichten, damit uns Menschen mehr Zeit fürs Wesentliche bleibt.
Die Vorstellung, dass der Wohnzimmerboden blitzblank ist, die Spülmaschine immer ausgeräumt, die Wäsche gebügelt und der Müll wie von Zauberhand in die Tonne wandert, ist tatsächlich eine Vorstellung, die auch mir gefällt. Das ist laut Regers Aussage mit den Robotern von NEURA aktuell bereits möglich und soll schon in wenigen Jahren für alle erschwinglich sein.
![4NE-1 beim Bügeln](https://www.bwcon.de/fileadmin/user_upload/4NE-1_beim_Buegeln__NEURA_Robotics_840px.png)
Regers Roboter tragen Namen wie MAiRA, LARA, MiPA oder 4NE-1. Ich frage mich: „Wie viel Mensch steckt schon jetzt in diesen Maschinen? Kann man ihnen auch beibringen, zu fühlen? Und wie gefährlich können sie uns werden?“
Im Dienste der Menschlichkeit
Mit dem Slogan „we serve humanity.“ gibt NEURA eine klare Antwort: Die Roboter sollen uns unterstützen, damit wir Menschen mehr Zeit für uns und unsere Mitmenschen haben. Und sie können auch jetzt schon dem Fachkräftemangel begegnen, indem sie unbesetzte Arbeitsplätze ausfüllen. Das klingt nach einer ehrenwerten Zielsetzung. Gleichzeitig weiß Reger um die ethischen Fragen, die sich viele Menschen stellen, kennt die Befürchtungen und auch Ängste. In diesem Artikel geht es genau darum. Er postuliert darin, mehr zu reflektieren und zu diskutieren, denn Fortschritt ließe sich schließlich nicht aufhalten. Ein weiterer wichtiger Fakt: An zentralen Sicherheitsstellen entscheidet keine KI.
"Was treibt einen Menschen wie Reger an, an seiner Vision festzuhalten?", frage ich mich. Gerade in diesen wirtschaftlich turbulenten Zeiten? Entwicklung und Produktion am teuren Standort Deutschland? Auch da ist Reger überzeugt, dass schon immer viele innovative Ideen aus Deutschland kamen (die besten sowieso aus Baden-Württemberg, wie er in einem seiner ersten Podcast-Interviews in einem Nebensatz behauptet).
In seinem Unternehmen beschäftigt er aktuell über 300 Mitarbeitende – aus über 40 Nationen. Monatlich trudeln über 2500 Bewerbungen ein, wie dieser Beitrag verrät. Davon träumen viele andere deutsche Unternehmen. Reger schafft es offenbar, weltweit Aufsehen zu erregen und Menschen für seine Vision zu begeistern – und zu gewinnen.
Größenwahnsinn gewünscht
Gleichzeitig fordert er vehement, dass auch andere – die Politik, die Unternehmen – mehr vorausdenken und mutiger in ihren Entscheidungen sein sollen. Damit andere (wie zum Beispiel China) uns nicht überrollen. Reger glaubt, dass wir in Deutschland nach wie vor an unserem Mindset arbeiten müssten. Dass wir endlich auf ein anderes Pferd als nur Automotive setzen – oder zumindest parallel den Fokus auf die Robotik-Branche setzen sollten. Das hat zudem das Potenzial, viele Branchen und Technologien zu vereinigen. Diese Synergie darf und soll genutzt werden. Um “es” nicht zu verpennen, um in seinen Worten zu bleiben. David Reger meint damit den technologischen Fortschritt und den Wohlstand, den unsere Vorfahren für uns erarbeitet haben. “Ich bin da wahrscheinlich ein bisschen größenwahnsinnig. Es ist der technologische Fortschritt, der unseren Reichtum beschert – nicht anderweitige Ressourcen. Diesen Fortschritt will ich weiterhin, auch in einigen Jahrzehnten noch.”
Oft geht der Blick neidisch in die USA. Aber warum nicht auch Gutes für Deutschland tun? Reger postuliert: „Ich versuche, genau das in meinem Leben umzusetzen: nicht davor zurückzuschrecken, dass wir vielleicht im falschen Land sind. Wenn die Infrastruktur fehlt, lasst uns daran arbeiten und sie schaffen. Wenn es keine Vision gibt, dann zeigen wir, was möglich ist. Wir haben vielleicht nicht die gleichen Investoren wie die USA, aber das heißt nicht, dass wir technologisch hinterher sein müssen. Stattdessen müssen wir smarter sein. Was in den Staaten also unter anderem die Finanzkraft ist, ist bei uns unsere DNA als Tüftler und Vorausdenker – unser Merkmal, mit dem wir uns behaupten können.” Er fügt noch etwas Wichtiges hinzu: “Wir haben die Köpfe, aber wir lassen es zu, dass sie ins Silicon Valley abwandern. Es ist Zeit, dass wir sie hier halten und die Bedingungen schaffen, damit etwas Gutes in Europa, in Deutschland, entsteht.“
![David Reger mit 4NE-1](https://www.bwcon.de/fileadmin/user_upload/David_Reger_mit_4NE-1.png)
Robotik: Der weltweite größte Markt im Jahr 2030
“Die Robotik wird bis 2030 der größte Markt weltweit sein”, ist sich Reger sicher. Immer wieder zieht er Vergleiche mit China: Mehr als 40 Millionen Roboter sollen dort bis 2030 gebaut werden. Und er weiß: Was sich China vornimmt, wird es auch durchziehen.
Deutschland habe die Chance, mehr als nur Roboter zu produzieren. Der Schlüssel liege in der Plattformtechnologie – also in den „Gehirnen“ der Roboter, die sowohl nationale als auch internationale Anwendungen steuern können. Hier könnte Deutschland seine Stärke in Prozessoptimierung und Innovation nutzen, um globale Standards zu setzen und die Wertschöpfung langfristig zu sichern. Und so könne man auch dem Fachkräftemangel begegnen. “Mittlerweile sind wir da auch aus dem Stadium heraus, dass das eine bloße Vision ist. Wir sehen ja: Die KI, die Maschinen – es funktioniert. Jetzt haben wir vielmehr die Mission, etwas daraus zu machen", fasst Reger zusammen.
KI-Dilemma: Innovation oder Überregulierung?
Sicherheitsstandards bei KI und Robotik seien sehr wichtig, meint Reger. Gerade in der Industrie gelten strenge Vorschriften, die weit über die Anforderungen für autonomes Fahren hinausgingen. Sensoren und Kontrollsysteme müssten gewährleisten, dass Roboter bei Gefahr sofort gestoppt werden.
Und gleichzeitig erklärt er: “Angstmacherei im Bereich KI führt zu nichts.” Das würde nur dazu führen, dass Europa plötzlich anfinge, alles zu regulieren. Und das wiederum bedeute, dass nichts Neues entstehen könne - keine Innovationen.
Klingt logisch, denke ich. Wer von vornherein zu viel reglementiert, erstickt alles Neue und Kreative bereits im Keim.
Als ich mein imaginäres Glas Rotwein absetze und das Gespräch mit David Reger in Gedanken Revue passieren lasse, bleibt vor allem eines: eine Mischung aus Bewunderung und Nachdenklichkeit. Kann Deutschland tatsächlich in Sachen Automation und Robotik Vorreiterin sein? Oder bleiben wir am Vertrauten kleben, bis andere uns überholen?
Eines wird mir klar: Ohne mutige Visionäre wie David Reger, die nicht nur träumen, sondern handeln, bleibt Fortschritt ein leeres Wort. Und vielleicht ist genau das der Moment, in dem wir alle uns fragen sollten, welchen Beitrag wir leisten können.
Wir bei bwcon werden NEURA Robotics und David Reger interessiert verfolgen und freuen uns, wenn die nächste große Unternehmens-Story (wieder) aus Baden-Württemberg stammt. Dabei geht es uns nicht nur darum, diese Geschichten sichtbar zu machen. Wir wollen außerdem die besten Köpfe und Ideen matchen, um das Innovationspotenzial im Land noch weiter zu stärken. Denn wir sind uns sicher: Kooperieren und Netzwerken sind elementare Kompetenzen, die es uns erst ermöglichen werden, visionäre Ideen auch umsetzen zu können.
Zufrieden stelle ich mein leeres Rotwein-Glas zur Seite und schreibe diese Zeilen zu Ende, während ich mich frage, wann es so weit sein wird, dass ein 4NE-1 auch bei mir zu Hause fleißig putzt und die Spülmaschine ausräumt. Reger ist sich sicher: “ Bis 2030 werden wir alle Roboter zu Hause haben.”
Ob ich noch bis 2030 warten muss?
[Text von Petra Jahn-Firle]
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